Erste Erfolge als Dichter - Der schlesische Schriftsteller und Heimatdichter Paul Petras

Die Oder bei Grünberg / Schlesien
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Dr. Paul Petras
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Erste Erfolge als Dichter

Leben
Das Theaterstück "Der Kaiser von Birma oder der gerettete Frack"
Grünberger Wochenblatt vom 23. März 1880

Der junge Paul Petras liebt Theater: Als die Primaner der Grünberger Friedrich Wilhelms Realschule Molières Ballettkomödie "Der Bürger als Edelmann" proben, übernimmt Paul die Rolle des Schneidergesellen und leiht sich dazu - in Ermangelung eigener - von der Familie Liebig passende Schnabelschuhe. Am 20. März 1880 wird das Stück im Künzelschen Lokal aufgeführt und "mit Beifall aufgenommen". Auch in der Zeitung erscheint eine lobende Notiz.

Aus Freude am Theater startet Paul ein eigenes Theaterprojekt, das er mit den Freunden aus der Prima diskutiert. Der Titel: "Der gestohlene Frack". Der erste Akt ist Anfang Juni fertig. Doch Freund Reich missbilligt sein kühnes Werk. Kommentar: "Kein Motiv!" Auch bei seinem Freund Paul Fischer Kopfschütteln, dem vor allem der triviale Schluss nicht gefällt. Alle übrigen finden das junge Werk des jungen Petras ganz gut: "eine Art Raubritterstück".


Grünberger Wochenblatt vom 24. Juni 1880

Doch Paul nimmt sich die Kritiken und die Resonanz im Freundeskreis zu Herzen und "schmiedet das Stück" um. Die geänderte Fassung wird in der Prima vorgelesen und schließlich nach mehreren Proben (Freund Hoffmann führt Regie) im Rahmen des alljährlichen Schulausflugs vor einem größeren Publikum - einschließlich der Lehrerschaft - am 22. Juni "uraufgeführt"... Der geänderte Titel: "Der Kaiser von Birma oder der gerettete Frack!" (s. Meldung des "Grünberger Wochenblatts" vom 23. Juni 18880).

Paul übernimmt in seinem Stück selbst die Rolle des Tuchmachers Schwantsöchel und karikiert Grünbergs Tuchmacher im Grünberger Dialekt! Selbst die Lehrer sind darüber ganz aus dem Häuschen... Die Aufführung endet mit großem Beifall (Paul, der noch eine Dankesrede an alle beteiligten Mimen und an die Schule hält, notiert: "Durchschlagender Erfolg des Schwanks!"). Der festliche Abend endet in allgemeiner Fröhlichkeit und mit einem Ball. Pauls Schülermütze wird vom angehimmelten Fräulein Loh aus Prietz mit Eichenlaub bekränzt, als besondere Verehrung für den jungen Dichter...
Vortrag am Sedantag: Auszeichnung für das Gedicht von Paul Petras über die Vollendung des Kölner Doms
Der Kölner Dombau im Jahr 1855 - Münchner Stadmusium - Aufnahme auf Salzpapier  
Foto: Johannes Franciscus Michiels  

Paul Petras

Mitte August 1880 - die Schule hat wieder begonnen - werden die Primaner aufgefordert, eine Rede für den Sedantag am 2. September vorzubereiten bzw. ein patriotisches Gedicht zur Vollendung des Kölner Doms* anlässlich dieses Festtages zu verfassen. Für den jeweils besten Beitrag winkt eine offizielle Belohnung, ein Ehrenpreis.
 
Verse schmieden in der Nacht
Paul hat sich vorgenommen, für beide Aufgaben anzutreten. Er beginnt mit Vers-Entwürfen auf die Fertigstellung des Kölner Doms, sein "Kölner Domgedicht", das er selbst mit "Kellner Dohm"-Gedicht parodiert... Seine Sedan-Ansprache soll Freund Paul Lode übernehmen, beim Gedicht-Dichten schläft Paul nächtens sogar ein.

Am 26. August ist es soweit: Paul liefert gleich drei Gedichtversionen vom "Kölner Dom" ab. Direktor Fritsche kommentiert sie nüchtern: "Nr. 1 ist zu lang, Nr. 2 zu kurz, Nr. 3 gereimte Prosa!". Doch zwei Tage später entscheidet sich das Gymnasium für Pauls dichterischen Festbeitrag. Die freudige Notiz in seinem Tagebuch: "Ich erhalte den ersten Preis für mein Preisgedicht. Nr. 1 - zu lang - muss gekürzt werden."
Freund Georg Reich, der sich auch um den Vortrag bemüht hat, bekommt den Redepreis, muss aber Teile von Lodes Rede "einflechten". Beide - Reich und Petras - teilen sich die Preisgelder, so dass jeder 10 Mark - als Goldstück! - erhalten wird.

Vortrag im Frack
Direktor Fritsche besteht aber darauf, dass Paul sein Gedicht am Sedantag auswendig vorträgt ("was mir schwer fällt"). Dafür borgt er Paul weiße Handschuhe für den Vortrag und verlangt, dass Paul das Gedicht im Frack zum Besten gibt. Doch der junge Dichter zögert noch - aber seine Freunde Wennrich, Reich und Mannigel raten: "Frack! Frack!"

Am Sedanstag ist es soweit. Jedoch beim Vortragen seines Gedichts bleibt Paul prompt stecken, der Direktor souffliert und Paul zittert am ganzen Leib. Nach der Feierstunde geht er mit Freund Reich erst einmal einen Schoppen trinken...
Nachmittags ist Musik und Tanz angesagt, am Abend gibt es einen Festkommers bei Fülleborn im Gesellschaftsgarten mit einem "Hoch auf den Dichter" Paul.
 
Das Gymnasium würdigte Pauls Verse im "Grünberger Schulprogramm" Ostern 1881 auf Seite 12:  
"Den Sedantag 1880 feierten wir vormittags durch einen Lest aktus, wobei der Oberprimaner Petras ein selbstverfasstes Gedicht auf den Kölner Dombau vortrug, den er als Symbol der am 2. September errungenen deutschen Einheit darstellte. Es waren Ehrpreise für das beste Gedicht und die beste Rede zur Feier des Tages ausgesetzt worden; Petras erhielt jenen, der Unterprimaner Reich diesen. Nachmittags veranstaltete die Schule im Künzelschen Garten ein Vokal- und Instrumentalkonzert, welches reich besucht war."

* Die Vollendung des Kölner Doms wurde am 15. Oktober 1880 mit einem Fest gefeiert, das Wilhelm I. zur öffentlichen Repräsentation und als identitätsstiftendes Element des neun Jahre zuvor gegründeten Reiches nutzte.

Der Kölner Dom - von Paul Petras
(gedichtet und preisgekrönt am 2. September 1880)
 
Habt ihr gehört die Kunde, die uns der Rhein gesandt,
Die froh von Mund zu Munde durchklingt das deutsche Land?
Verwirklicht sind die Träume von längst vergangener Zeit:
Vollendet sind die Räume des Kölner Domes hoch und weit.
 
Wie ragt er nun so mächtig auf zu des Himmels Höhn!
Ein Zauberwerk, so prächtig, wie prangt er stolz und schön.
Hoch über alle Thürme von Menschenhand gethürmt,
Ragt er ins Reich der Stürme, ein Wunder, das nach oben stürmt.
 
Doch ward er nicht von Geistern gezaubert in den Sand,
Von wunderschnellen Meistern aus altem Fabelland -
Nein, erst nach langen Mühen sollt' er vollendet sein! -
Was sah sein Bau erblühen und welken hin am deutschen Rhein!
 
Als man die erste Quader gefügt zu seinem Bau,
Da scholl's von blut'gem Hader in jedem deutschen Gau.
"Hie Welf!" "Hie Gibelline!" Nach Welschland gings hinaub,
Wo mancher deutsche Hüne für seinen Kaiser sank ins Grab.
 
Seitdem der Kaiser ferne Lust nur an Welschland fand,
Da sanken deine Sterne, du deutsches Vaterland!
Wilhelm von Holland sollte des Reiches Macht erneun,
Doch ach, zertrümmert rollte sie tiefer in den Staub hinein!
 
Und wie das Reich verfallen durch wilden Bruderstreit
Verfielen auch die Hallen, die Konrad * einst geweiht.
Zerbröckelnd sah die Mauer zum alten Strom hinab
Ein Denkmal düstrer Trauer an unsrer deutschen Freiheit Grab.
 
Doch wie durch mächtige Wolke zuletzt die Sonne bricht,
Kam endlich unserm Volke der Freiheit neues Licht.
Da riefen alle Enden: Lasst uns am deutschen Rhein
Den deutschen Dom vollenden, er soll der Eintracht Tempel sein.
 
Noch einmal aber zogen des Krieges Stürm' herauf
Und blutige Blitze flogen entlang des Rheines Lauf.
Doch als der Feind vernichtet in Sedans schwerem Streit,
Ward neu das Reich errichtet, ein Reich der Kraft und Einigkeit.
 
Und aus Ruinen stiegen Portal und Thurm und Chor
Wie Deutschland nach den Siegen gewaltig stolz empor:
Was einst ward unternommen zu König Wilhelms Zeit,
Das ist zu Ende kommen durch Kaiser Wilhelms Herrlichkeit.
 
Denn kaum steht neugegründet das Reich zehn Jahre lang,
Da wir uns heut verkündet vom Rhein der frohe Klang:
Nach alter Meister Planen vollendet steht der Dom,
Das wehen heut die Fahnen vom Thurm herab zum deutschen Strom.
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* Konrad von Hochstaden
 
Foto: Titelblatt einer Mappe: "Historischer Festzug veranstaltet bei der Feier der Vollendung des Kölner Doms am 16. Oktober 1880" - (C) Deutsches Historisches Museum, Berlin
 
Das Ende des Dombaus wurde am 15. Oktober 1880 mit einem Fest gefeiert, das Wilhelm I. zur öffentlichen Repräsentation und als identitätsstiftendes Element des neun Jahre zuvor gegründeten Reiches nutzte. Damals waren die Spitzen des Domes allerdings noch eingerüstet, was auf den zahlreichen Postkarten geflissentlich retuschiert wurde. Einen Tag später, am 16. Oktober 1880 fand ein legendärer historischer Umzug statt, der in zahlreichen Stichen überliefert ist.
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