Die 700-Jahr-Feier im Rückblick
Grünberg
Zum 700jährigen Ortsjubiläum Grünbergs 1922
Von Lehrer und städtischem Archivar Hugo Schmidt, Grünberg
Am 30. Mai 1922 waren es nach alten Grünberger Überlieferungen 700 Jahre her, dass unser Ort von deutschen Kolonisten aus dem Westen gegründet wurde. Es war wohl jedem Grünberger ohne weiteres klar, dass dieser für die Geschichte der Stadt so wichtige Tag in festlicher Weise gefeiert werden müsste; doch bestanden anfänglich über die Art der Ausgestaltung verschiedene Ansichten. Schließlich einigte man sich dahin, dass den Mittelpunkt des ganzen Festes ein vormittäglicher Festakt im Saale der Kammerlichtspiele spielen solle, dem am Nachmittage ein Festzug folgen möge. Als Tag der Veranstaltung wurde bei der Nähe des Pfingstfestes der 1. Pfingstfeiertag (4. Juni) gewählt.
Eingeleitet wurde das Fest am vorhergehenden Sonnabend nachmittags 6 Uhr durch Läuten sämtlicher Glocken, worauf von 7 bis 8 Uhr ein Konzert auf dem Ringe und daran sich anschließenden Zapfenstreich folgte. Ein dem Charakter Grünbergs als altberühmter Weinstadt des Ostens entsprechender Weinausschank auf dem Ringe, der sehr zahlreich Zuspruch fand und dem auch die Alt-Grünberger Bürger Nachtwache nicht fehlte, versetzte die Festteilnehmer, namentlich die aus allen Teilen des Vaterlandes herbeigeeilten ehemaligen Grünberger, in frohe Feststimmung.
Den eigentlichen Festtag, den Pfingstsonntag, eröffneten Wecken und Blasen vom Ratsturme. Bei dem nach 11 Uhr vormittags beginnenden Festakte, an dem mehr als 700 geladene Gäste teilnahmen, war die Bühne der Bohrschen Kammerlichtspiele mit frischem Grün anmutig geschmückt. Die Feier begann mit dem vom Quartettvertein, Liederkranz und Bürgergesangverein gemeinsam in packender Weise vorgetragenen Armin Haag’schen Männerchor „Sänger, wacht auf!“, dirigiert vom Komponisten. Sodann betrat Oberbürgermeister Finke die Rednertribüne zu einer längeren, mit großem Beifall aufgenommenen Begrüßungs- und Eröffnungsansprache, die in einem Heilgruße an die jubilierende Stadt ausklang. Nach ihm sprachen der Oberpräsident der Provinz Schlesien Zimmer, dessen Glückwünsche gleichfalls mit besonderer Freude entgegengenommen wurden, Regierungspräsident Büchting, Landrat Dr. Ercklentz für den Kreis, Generaldirektor Dr. Ostersetzer namens der hiesigen Industrie, Bürgermeister Hohenhausen - Neusalz für die Nachbarstädte, Stadtarchivar Graber für den Verein für Schlesische Geschichte in Breslau und Landtagsabgeordneter Simon – Neusalz. Die nun folgende Festrede wurde vom Stadtarchivar, Lehrer und Stadtrat Schmidt gehalten, der einen gedrängten Überblick über die wechselvollen Schicksale der feiernden Stadt im Laufe der Jahrhunderte gab, an ihnen zeigend, dass es die beiden Haupterwerbszweige der Grünberger, Tuchmacherei und Weinbau, waren, die immer und immer wieder, auch in den schwersten Zeiten, den Bestand der Stadt verbürgten und sie endlich zu dem Höhepunkt ihrer Entwicklung brachten, auf dem sie augenblicklich steht. Er schloss mit dem Segenswunsche, der schon einmal vor einem Vierteljahrtausend der Stadt zugerufen wurde:
Gott erhalt‘ Dich, gute Stadt,
Bis die Welt ein Ende hat!
Bis die Welt ein Ende hat!
Es folgte ein zweiter Männerchor, „Das deutsche Lied“, worauf Stadtverordneten-Vorsteher Sporn ein kurzes, schwungvolles, in einem dreifachen Hoch auf Grünberg ausklingendes Schlusswort sprach, mit dem der Festakt seinen Abschluss fand.
Zu gleicher Zeit konzertierte die Stadtkapelle auf dem Freiheitsplatze und dem Ringe. Auch in der evangelischen und katholischen Stadtpfarrkirche war bei dem Pfingstgottesdienst des 700jährigen Bestehens der Stadt in eindrucksvoller und würdiger Weise gedacht worden. In der Synagoge geschah es bereits am Pfingstsonnabend.
Nach dem Festmahle der Gäste im „Schwarzen Adler“ reihten sich die vielen Tausende von Grünbergern und auswärtigen Besuchern längs der Hauptstraßen der Stadt erwartungsfroh dicht aneinander, um den unstreitig großartigsten Teil des Festes, den historischen Festzug, der in vorzüglichster Weise vom Bäckerobermeister Heinrich vorbereitet war, an sich vorüberziehen zu sehen.
Trotz anfänglicher ungünstiger Witterung – es setzte über Mittag ein längerer Gewitterregen ein – vermochte er sich doch ungehindert zu entwickeln und die auf ihn verwandten Mühen den Darstellern durch bestes Gelingen zu lohnen. Er bestand aus 24 Gruppen, die in farbenfrohen, fesselnden Bildern die Entwicklung unseres Ortes in der langen, wechselvollen Zeit von 1222 bis 1922 veranschaulichten (vgl. Abb. 1 und 2).
Nach seiner Beendigung fand im Schützenhausgarten ein Festkonzert der Stadtkapelle statt, zwischen deren Darbietungen wirkungsvolle Massenchöre der hiesigen Volksschüler unter Leitung des Lehrers Lange I und Vorträge Grünberger Männerchöre eingereiht waren. Oberpräsident Zimmer verweilte am Nachmittage und Abende in unseren Mauern und nahm an all diesen Veranstaltungen lebhaftesten Anteil. Nach einem Besuch der bekannten Marienkapelle auf dem Löbtenz folgte er noch einer Einladung der hiesigen Schützengilde zu einem Abendimbiss im Schützenhause.
Besondere Erwähnung verdient noch die Einrichtung eines Grünberger Heimatmuseums, das schon lange erwünscht, am Festtage dank der eifrigen Sammeltätigkeit des früheren Stadtbaurats Severin und dem unermüdlichen Eifer des Studienrats Dr. Klose zum ersten Male mit einer Grünberger Heimatausstellung seine Pforten öffnen konnte. Stadtarchivar Schmidt, dem die neugegründete Historische Kommission für seine Bemühungen auf dem Gebiet der Ortsgeschichtsforschung die Ernennung zu ihrem Mitgliede kundgab, widmete der Stadt zu ihrem Jubeltage ein umfangreiches Werk, seine „Geschichte der Stadt Grünberg i. Schl.“
Seit Monaten sind die Festklänge verrauscht, und das Alltagsleben zieht wieder seine Gleise. Mögen die am Festtage unserer Stadt zugerufenen, durch Schrift und Draht geäußerten so zahlreichen Glückwünsche reichste Erfüllung finden und die folgenden Jahrhunderte der Jubilarin einen ununterbrochenen Aufstieg bringen!
Quelle und Abbildungen: Hauskalender für den Kreis Grünberg in Schl. auf das Jahr 1923 – S. 42/43
Der Festzug wurde nach stadtgeschichtlichen Angaben des Stadtarchivars und Stadtrats Schmidt in Szene gesetzt und aufgestellt von Beckerobermeister Heinrich. Die gesamten Kostüme und die Ausstattung von Alkier's Versandhaus für Theater und Maskenkleidung in Görlitz (Schl.).
Unten: Fotos Festprogramm (zum Vergrößern anklicken): Basia Rymarczyk