Ein Freundschaftsbund
Leben
Ein merkwürdiges "Corps".
Aus alter Zeit
von Dr. Paul Petras - Foto (aus den 1920er Jahren) rechts
(als Beitrag für die "Grünberger Blätter" - geschrieben 1926 im damaligen Wohnort Wandsbek)
"Beim Kramen in meiner Bücherei fiel mir neulich eine Greifswalder Doktordissertation in die Hände. Sie trägt den seltsamen Titel "Über Substituierte Sulfotoluolsäuren" und ist geschrieben von meinem Schulfreunde Oskar Kornatzki, der folgende Widmung draufgesetzt hat:
"Seinem teuren Freunde und Corpsbruder P. Petras z. fr. Erg."
Wer das liest, wird natürlich denken, wir beide seien Corpsstudenten gewesen. Nichts wäre verkehrter als das. Im Gegenteil! Und doch gehörten wir einem "Corps" an, schon als Schüler. Es war freilich nur ein Geheim-Corps, obwohl es das Licht nicht zu scheuen gehabt hätte. Direktor Fritsche hätte es sicher nicht zu den damals streng verboten gewesenen "Schülerverbindungen" gezählt. Wir liebten eben nur die Geheimtuerei. Und unser Corps hieß "Posna-Silesia".
Von dieser "Posna-Silesia" will ich einiges berichten.
Erst wollten wir einen Heimatbund "Silesia" gründen. Da meinte unser Wirt Reich aber: "Da kann ich nicht mitmachen, denn ich bin ein Posener." Also nannten wir das neue "Corps" "Posna-Silesia". Mitglieder waren außer mir nur Reich, Wennrich, Mannigel, Kornatzski. Dann wurde noch Hugo Schmidt-Schweisitz aufgenommen.
Sitzungen, in denen wieder repetiert und - nachher ein Glas Bier getrunken wurde, fanden gewöhnlich bei Reich oder Wennrich (im Ratskeller) statt. (Wennrich-Werbefoto - Quelle: Facebook August Grempler)
Im Grunde war das ganze "Corps" nur eine halbstudentische Fortsetzung eines alten Freundschaftsbundes, der bereits in den unteren Klassen geschlossen worden war und dem außer den genannten Freunden noch Bernhard Liebig aus Heinersdorf angehörte, der leider schon als Primaner in die Gefilde der Seligen abrückte.
Als "Stiftungsfeste" hätte man die Geburtstagsfeiern des Corpsbruders Wennrich im Ratskeller bezeichnen können. An ihnen nahmen immer eine Menge "Ehrengäste" teil, Klassenbrüder, die sich dann unter den gotischen Bögen des Familienzimmers - (jetzigen Ratsstübels -?) unter der großen Ratshaustreppe im Singen studentischer Lieder, im Komment und Bierredenhalten für kommende Semester vorausübten. Dass wir das Sprichwort "Ne quid nimis" dabei nicht vergessen sollten, dafür sorgten Vater und Mutter Wennrich, die uns das für unser leibliches Wohl gerade ausreichende Quantum von Speisen und Getränken stifteten und uns väterlich und mütterlich überwachten.
Als "Stiftungsfeste" hätte man die Geburtstagsfeiern des Corpsbruders Wennrich im Ratskeller bezeichnen können. An ihnen nahmen immer eine Menge "Ehrengäste" teil, Klassenbrüder, die sich dann unter den gotischen Bögen des Familienzimmers - (jetzigen Ratsstübels -?) unter der großen Ratshaustreppe im Singen studentischer Lieder, im Komment und Bierredenhalten für kommende Semester vorausübten. Dass wir das Sprichwort "Ne quid nimis" dabei nicht vergessen sollten, dafür sorgten Vater und Mutter Wennrich, die uns das für unser leibliches Wohl gerade ausreichende Quantum von Speisen und Getränken stifteten und uns väterlich und mütterlich überwachten.
Bei dieser Gelegenheit ließen wir uns auch ordentlich los. Es wurden Bierzeitungen verlesen und "Rundgesang und Rebensaft" in üblicher Weise gesungen - wobei jeder "seine Liebste" namhaft zu machen hatte, was mir anfangs recht wenig passte, weil ich ja doch keine Flamme besaß, bis ich endlich in einem hübschen Mädel in der Breslauer Straße ein geeignetes, meiner Liebesbedürftigkeit entsprechendes Wesen gefunden hatte.
Dass auch das Abiturium 1881 würdig gefeiert wurde, ist selbstverständlich. Zu dieser Feier lud Mannigel, die ehrenwerte "Posna-Silesia" in seines Vaters Haus am "Grünzeugmarkte". Über diesen denkwürdigen Tag... oder vielmehr diese Nacht habe ich mich jüngst noch in Steglitz mit dem letzten außer mir noch lebenden Abiturienten von Ostern 1881 angenehm unterhalten. Leider war dieser Getreue, jetzt Regierungsrat a.D. Rudolf Hoffmann, nicht Mitglied unseres Geheim-Corps. Er gehörte dafür einem anderen Geheimbunde an.
Bei diesem Feste konnten die "Posna-Silesia" einmal so recht in Grünberger Wein schwelgen, den Vater Mannigel wohl reichlich im Keller hatte und aus Freude darüber, dass sein "Jörgel" bestanden hatte, auch reichlich spendete. Leider vertrugen nicht alle diesen seltsamen Trank - für uns Schüler wenigstens war's ein seltener Genuss" - und es gab mehrere "Weinleichen", als das schöne Fest lange nach Mitternacht ein Ende nahm.
Damals beschlossen wir Geheimbündler, möglichst alle als Studenten in Breslau die "Posna-Silesia" fortzusetzen. Kornatzki war nicht mehr zur Stelle. Er hatte ein Semester eher das Abitur "geschwungen". Er verpflichtete sich aber, mindestens einmal der Alma Mater in Breslau einen Besuch abzustatten, und das hat er später auch getan.
In Breslau wurde aus der "Posna-Silesia" eine inoffizielle "Landsmannschaft", wir hielten unsere Zusammenkünfte als alte Grünberger und haben manchen "Skat gedroschen". Reich, Schmidt, Mannigel und ich - später auch Wennrich, der beim Zoll in Breslau arbeitete.
Schließlich zerstreuten sich die Mitglieder dieses "Corps": Schmidt ging nach Greifswald und dann nach Amerika, wo er im Jahre 1920 als Professor einer großen Schule gestorben ist. Wannigel ging in seine Vaterstadt Grünberg, wo er als Stadtrat gewirkt hat. Er ist anno 1924 gestorben. Kornatzki machte in Greifswald, wie anfangs schon erwähnt, seinen Doktor und wurde als Chemiker Fabrikdirektor in Rendsburg, wo er 1888 infolge Unfalls zu früh im Alter von 28 Jahren verstarb: Er fiel in die Eider und ertrank.
Reich blieb wie ich lange in Breslau, wurde dann Oberlehrer und Professor in Gr. Lichterfelde ist dort nach einer schweren Operation 1905 gestorben.
Und so ist denn die "Posna-Silesia" auf zwei Mitglieder zusammengeschmolzen, und das sind jetzt anno 1926 Zollamtmann Wennrich in Breslau und meine Wenigkeit in der Stadt des "Wandsbeker Boten", die sich heute aber amtlich "Wandsbek" schreibt."
Die "Landsmannschaft Posna-Silesia" 1884 in Breslau (Foto - v.l.n.r): Paul Petras, Richard Wennrich - in der Einjährigen-Uniform - und Georg Reich
"Treffpunkt Ratskeller" Grünberg
Paul Petras - 1880
Oskar Kornatzki - 1880
Georg Mannigel - 1880
Georg Reich - 1880
Hugo Schmidt-Schweisitz - 1880