Polen besitzt eine eher schlichte historische Weintradition, die bis ins Mittelalter zurückreicht. Wein wurde meist von Mönchen bei Klöstern, aber auch von Bauern im Bannkreis von Burgen und Schlössern angebaut. Der edle Rebentrunk hatte etwas Privilegiertes und wurde erst spät in Winzerhäusern oder Wirtshäusern ausgeschenkt.
Aufgrund des etwas milderen Klimas wurden in Niederschlesien schon früh Weinberge angelegt, nicht zuletzt durch herrschaftliche Förderung. So existiert eine Winzerordnung Herzog Heinrichts I. vom Jahre 1203, in der er vorschrieb, wie oft die Winzer (cultores vineae) in den Weinbergen arbeiten sollten.
Der Weinbau zwischen Oder und Weichsel beziehungsweise in Süd- und Ostpolen unterlag jedoch in all den Jahrhunderte wechselvollen Klimabedingungen – u.a. der so genannten Kleinen Eiszeit im 16. Jahrhundert. Fröste, Dürre oder auch Nässe und Überschwemmungen setzten den Weinerzeugern immer wieder zu.
So sorgte beispielsweise 1453 ein Kälteeinbruch in Schlesien für eine großflächige Zerstörung der Weingärten. Auch Nuss- und Obstbäume fielen dem Frost zum Opfer. Erst 1466, also 13 Jahre später, konnte wieder von einer Weinlese die Rede sein. In dieser Zeit gab sich der schlesische Landesherr, Herzog Heinrich IX. von Glogau, die größte Mühe, geeignete Weinsorten aus Ungarn, Österreich und Franken herbeizuschaffen. Damals wurde in Grünberg erstmals der Traminer (aus Tramin in Südtirol) angepflanzt. Der Herzog und seine Nachfolger kümmerten sich immer wieder darum, dass die Weinberge zur Erhaltung des Weinbaus von spezialisierten Gärtnern gepflegt wurden.
Aber wiederholt folgten harte Winter und die völlige Zerstörung der Weinstöcke – so auch in den Jahren 1513-21. Doch mit zähem Fleiß und mit großer Ausdauer hielten die Grünberger immer wieder am Weinbau fest. Das Wetter blieb indes der große Unsicherheitsfaktor – so zum Beispiel 1740, als die Trauben wegen des frühen Frostes nicht genug reiften und allenfalls in kleinen Mengen zur Herstellung von Essig taugten. Kein Wunder also, dass die Winzer in Grünberg mit dem Anbau früh reifender und pilzresistenter Rebstöcke versuchten, sich gegen Missernten durch Frostschäden abzusichern. Diesem Beispiel folgten auch andere Winzer in Polen.
Weine aus dem Ausland an höfischen TafelnDas Ergebnis war oft ein herber, säurereicher Landwein, der immer wieder verspottet wurde und vor allem an den Tafeln der Reichen und Mächtigen mehr und mehr verschmäht wurde. Ob Fürsten, polnischer Hochadel oder hoher Klerus – sie lernten auf ihren Reisen gen Süden dort vielfach bessere, süffigere Weine kennen und wandten sich daher der Weineinfuhr aus dem Ausland zu. Der Geschmack läuterte sich und wurde feiner.
Doch zum Rückgang des Weinbaus in Polen trugen auch Kriegswirren im 17. Jahrhundert und die damit einhergehenden Verwüstungen der Weingärten bei. Sie schmälerten die Bereitschaft zum Wiederaufbau und lenkten die Betriebsamkeit mehr auf den Obstbau. So mancher Weinberg wurde in einen Obstgarten verwandelt. Denn die Zucht und der Anbau von Obstbäumen und –sträuchern machte weniger Mühe, war weniger vom Wetter abhängig und brachte sicherere Erträge.
Noch gefährlicher wurde dem Wein als Wettbewerber die Kartoffel. Sie litt selten unter Missernten und wurde bald das wichtigste Ausfuhrerzeugnis namentlich für die damalige Provinz Posen. Hier verdrängte außerdem in den sich ostwärts von Bomst (Babimost) anschließenden Gebieten die Hopfenkultur den Weinbau. Schon im 17. Jahrhundert fing das Bier an, den Wein zu ersetzen. Für das Ende der polnischen Weintradition sorgten schließlich der 2. Weltkrieg und die Nachkriegszeit. Wodka und Bier wurden zum bevorzugten Getränk der Polen.
Auf halbem Weg zwischen Warschau und Krakau: das Spitzenweingut Dom Bliskowice - Foto: www.winocentral.de
Mit dem Eintritt Polens in die EU im Jahr 2004 und der folgenden Anerkennung als Weinland 2005 sowie mit der Einführung eines Weingesetzes im Jahr 2008 verbesserte sich trotz zahlreicher Vorschriften und behördlicher Anordnungen das langsam wieder aufkommende Weinangebot zwischen Ostsee und Karpatenbogen deutlich. Denn mit diesem Gesetz war der Handel mit heimischem Wein wieder möglich geworden.
Allerdings können polnische Weine derzeit beim Preis nicht mit den importierten Weinen im Supermarkt mithalten, denn die Weine des Landes werden eher handwerklich in kleinen Mengen hergestellt und sind deshalb meist nur beim Winzer zu probieren und zu kaufen.
Schon vor der politischen Wende hatten erste Pioniere an die Weinbautradition des Landes wieder angeknüpft – nach 1989 kamen weitere Jungwinzer hinzu. Mittlerweile gibt es über 500 Weingüter in Polen, von denen ein großer Teil als Hobby betrieben wird. Die wichtigsten Anbaugebiete sind heute das Karpatenvorland mit dem Zentrum Jassel (Jaslo) und die Region um Zielona Góra (Grünberg), aber auch bei Wroclaw (Breslau) und Kraków (Krakau), in Masuren und sogar an der Ostseeküste wird inzwischen Wein produziert. Vor allem hat sich das Niveau der angebauten Rebsorten durch kluge Anbaupolitik und wegen des sich verändernden, wärmeren Klimas deutlich verbessert: Die Abkehr von den "Piwis", den pilzresistenten Sorten, und die verstärkte Zuwendung zu den edlen Reben wie Riesling, Spätburgunder, Chardonnay, Dornfelder, Gewürztraminer oder auch Bacchus lassen die Weinqualitäten deutlich ansteigen. Aber auch die traditionellen pilzresistenten Spezialitäten wie Johanniter, Rondo oder Regent sorgen im professionellen Anbau, wie einmal der "Falstaff Trafelguide" feststellte, für "überraschende Weine" und für die glückliche Wiedergeburt des polnischen Weins.